Das Limit der Worte    Alexandre J.   The Collector

I. Golden Oud

In der Beschreibung dieses Dufts stehen „Aromatische Noten, Vetiver, Weißes Holz, Sandel, Veilchen, Patchouli, Moschus, Oud und Moos.“ Doch ist das eine Aussage über diesen Duft?

Viel mehr ist zu erahnen, dass mit Metaphern gespielt wird, die vertraut erscheinen. Eine Vorsichtsmaßnahme? Denn es wartet mehr in diesem Prunkvollen Flakon als das schon so oft in Duftbeschreibungen Aufgezählte, vertraut Erscheinende.

Ja da ist Moschus. Ganz am Anfang. Am Anfang, an dem so viele Parfums erst einmal nach Alkohol riechen ist da Moschus, ist da maximale animalische Präsenz und eine Frucht ist zu erahnen. Eine Frucht die berauscht wie in alten arabischen Märchen. Davon steht nichts im Datenblatt. Wenn Sie sich diese Frucht golden vorstellen und im Kern ihres Aromas wie eine reife Mango, ahnen Sie, was ich über die eigentliche Duftbeschreibung sagen möchte. Sie trifft auf´s Erfreulichste nicht zu. Dieses Parfum enthält das im Namen versprochene Gold und der Nasenrausch dieser goldenen Frucht hält 20-30 Stunden an. Unter dieser goldenen Frucht finden wir den Anklang des ebenfalls versprochenen Oud und am Ende das Veilchen.

Fällt Ihnen etwas auf? Dieses Parfum läuft „rückwärts.“ Es beginnt mit dem Animalischen Moschus, über einen kostbaren goldfruchtenden Oud Akkord und endet leicht und beschwingt im Veilchen. Erstaunlich.

 

II. Zaffer Oud Vanille

Eine fast amüsante Idee, denn der opulente Flakon ist Kobaldblau (Zaffer) und das Parfum ist ein köstlicher, sinnlicher, karamelliger Gourmandduft. Konträrer kann die Spitze aller Lieblichkeiten kaum verpackt sein.

Dieser Duft ist groß, wie alle der sechs „The Collector“ Düfte von Alexandre.J. Wie alle sechs Düfte ist Zaffer Oud Vanille mehr, ein „vollkommen umhüllt sein“ als ein Duft. Doch muss so dringend Oud im Titel erscheinen, nur weil arabeske Duftformen das Thema der Kollektion sind? Der Duft von Oud ist schwarz, ist alt und reif, ist so schwer zugänglich wie die Wälder in denen man ihn findet. Doch dieses Parfum ist sehr zugänglich ist jung, ist hell, lebendig und lebenshungrig. Es gleicht einem parfumierten Liebesbrief, der mit den Worten endet „atme diesen Duft. In ihm und mein Lächeln werd ich gekleidet sein, wenn wir uns begegnen.“

Zaffer Oud Vanille ist ohne oud, doch es ist erfreulich arabesk. Wenn Sie handwerkliche, authentische Orientals, wegen der Gradlinigkeit schätzen, genau ein Thema zu behandeln, doch dieses perfekt ausgewogen und unnachahmlich eindeutig, dann ist dieser Duft aus Tonka, Karamell, Ylang und vor allem kostbarer Vanille für Sie komponiert worden.

 

III. Rose Oud

Hier stimmt alles, was im Datenblatt steht. Die flüchtige Limone und vor allem die Birne in den ersten zwei Stunden dieses Parfums, kunstvoll verbunden mit der Rose. Weihrauch und Sandel, ebenso kunstvoll verbunden mit der Rose folgen mit einer subtilen Nelke bis in die achte Stunde. Moschus und Ambratöne bilden bis in die vierzigste Stunde das Finale. Auch diese sind elegant verbunden mit der Rose, die selbst im Finale dieses großen Parfums mitschwingt. Kein Oud wie im Namen. Doch auch hier ist das genau richtig so.

Indes stellt sich mir auch bei diesem raumgreifenden, klassischen Oriental wieder die Frage, ob das Aufzählen von vertrauten Duftbegriffen der Beschreibung eines so großen Parfums gerecht wird.

Stellen Sie sich das Gefühl einer Frau vor, welches sie empfindet, wenn sie das Strahlen in den Augen des Mannes sieht, den sie liebt. Stellen Sie sich das Gefühl des Mannes vor, der das perfekte Geschenk für die Dame gefunden hat, die er liebt. Stellen Sie sich vor es sind Rosen. Von diesen Rosen handelt dieses Parfum. Es ist unglaublich viel um diese Rosen herum arrangiert. Doch was zählt ist diese eine Königin. So würde ich dieses Parfum beschreiben. Es ist ein Rosenparfum und das ist so gut, so vollkommen richtig.

IV. Morning Muscs

In der „Collector“ Serie finden sich neben den drei Kompositionen, die „Oud“ im Namen tragen, zwei Parfums mit Moschus im Titel. Betrachten wir zuerst Morning Muscs also „Moschus am Morgen“.

Zu welchem Anlass trägt man ein großes Parfum, mit einer Sillage wie ein Kreuzfahrtschiff und einem opulenten Duftverlauf, der Tage dauert? Zum Frühstück? Sicherlich nur jene Damen und Herren, die den Mut haben schön zu sein.

Wie ich darauf komme. 1784 definierte Kant „Sapere Aude- habe den Mut weise zu sein“ zum Leitsatz der Aufklärung. Die Zeit des Spätbarock. Um die Metapher des französischer Barocks kreisen die drei heute besprochenen Parfums. Man durfte damals nicht nur weise, sondern man durfte auch wieder schön sein, ohne für hochmütig gehalten zu werden. Zuletzt finden wir in dieser Zeit die ersten Moschusparfums des Abendlandes.

Wer ist also mutig genug schon am Morgen schön zu sein? Diese herausfordernde Frage stellt Morning Muscs. Vollreife Mandarine und Grapefruit, die mit Schale destilliert wurden dominieren die ersten Minuten. Der Pfirsich als kunstvoller Aldehydton folgt bis in die dritte Stunde. Ab dann kreisen Rosen, Veilchen und die versprochene Moschusnote umeinander. Der Patchouli und das Moos, die wir im Datenblatt beschrieben finden, findet nicht statt. Das ist gut so. So ist es ausgewogen. So ist es groß, mutig, schön.

 

V. Black Muscs

Glauben Sie nicht, dass wir etwas gegen Patchouli haben. Ganz im Gegenteil. Zu „Black Muscs“ gehört dieses geheimnisvolle Kraut aus Asien. Es muss in einem Parfum wie diesem sein. Gemeinsam mit einem Ambraton, den wir in unserer Zeit leider selten in dieser Größe und Brillianz finden, lässt der Patchouli diesen Duft schwarz erscheinen.

Dieses Parfum ist das „schnellste“ der Colletor Serie. Es kommt am gradlinigsten „zur Sache.“

Bergamotte und Zitrone spielen rund zwanzig Minuten eine diskrete Einleitung. Das Veilchen rollt hiernach einen Teppich aus und den Rest der Zeit feiern sich Ambra, Rose und Patchouli. Diesen „Rest der Zeit“ zu bemessen ist wie bei allen anderen Collector Parfums sehr schwierig. Denn in den 3 Wochen, in denen sich der Autor dieser Zeilen mit den Alexandre.J Düften beschäftigt, „endete“ keines von ihnen. Den „dry down“ werden wir erfreulicher weise nicht erleben. Wer also Parfum auf Kleidung trägt, sollte sich für jedes „Collector“ Parfum ein eigenes Halstuch zulegen.

VI. Silver Ombre

Kommen wir zum Ende unserer kleinen Reihe über die Collector Serie von Alexandre.J. Und was für ein Ende. „Silver Ombre“. Der Name lässt Sprachbegabte schmunzeln.

„Silver Shadow.“ Denken Sie an das Kreuzfahrtschiff? Denken Sie an den Rolls Royce Klassiker „für Selbstfahrer“? Oder denken Sie an den „Silver Shadow“ unter den Parfums? Dem grandiosen Klassiker aus dem Hause Davidoff?

Dem möchte Silver Ombre keine Konkurrenz sein. Im Gegenteil können wir die beiden Parfums als „Paar“ betrachten. Denn Silver Shadow ist der Herr Geheimrat, die diskrete, elegante Eminenz und Silver Ombre seine Gattin, die bei Tische die Gesellschaft eloquent moderiert und irgendwo einmal gehört hat, dass jemand einer Idee ihres Mannes widersprach.

Sie merken auch hier. Parfum zu beschreiben verlangt stets mehr als Worte, verlangt stets mehr als die Aufzählung von Inhaltsstoffen. Denn im Datenblatt stehen hier Limone, Himbeere, Toffee, Apfel, Rose, Patchouli, Safran, Weiße Hölzer, Moschus, Ambra und Vanille. Das klingt wie Obstsalat mit Tier. Doch dieser Duft ist wie jeder andere der Collectors Serie, ja wie jedes andere Parfum per se eine Persönlichkeit. Vielleicht sollten wir dazu übergehen, die Persönlichkeiten der Parfums aufzuzeichnen. Jene Menschen, zu denen sie idealer weise passen. Silver Ombre kleidet ideal die eben beschriebenen Dame der Gesellschaft. Es ist charmant, direkt, tiefgründig, präsent und verbindlich. Silver Ombre ist der komplexeste Duft der Collectors Serie, denn wenn auch die Aufzählung der Inhaltsstoffe ebenso Metapher ist, wie die Persönlichkeit des Parfums, dann trifft hier ein Großteil davon doch zu. Und die Fremdartigkeit des Moschus im Verhältnis zur Himbeere darf durchaus als freundliche Provokation betrachtet werden. Eben, wie die Worte der Gattin des Geheimrats. Der Safran, der Ambra und die modernen Hölzer verzahnen sich mit dem Duft des Gatten. Hierfür meine Gratulation an den Parfumeur des Hauses Alexandre.J